Kreistagssitzung 14.11.2022 – Redebeitrag zum Haushalt 2023 – Bernd Messinger (es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Sigel,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Gäste, sehr geehrte Damen und Herren der Presse,
auf dem Wohnbaugipfel, vor wenigen Wochen, haben wir spannende Vorträge und innovative Ideen zum Bauen gehört. Die große Herausforderung, beim Bauen ressourcenschonend, klimaneutral und zugleich bezahlbar zu bleiben, hat uns Professor Sobek wiederholt ins Stammbuch geschrieben. Denn, auch die fürs Bauen erforderlichen Ressourcen sind endlich.
Gemeinsam mit der Kreisbaugruppe hat es sich der Rems-Murr-Kreis zur Aufgabe gemacht, Menschen eine Heimat zu geben – mit guten und bezahlbaren Wohnungen.
Wir Grünen unterstützen die Erweiterung der Wohnbaustrategie der Kreisbaugruppe. Vor allem im Hinblick auf die Werteentwicklung und Refinanzierung, aber auch mit Blick auf die Menschen, die aus den Kriegsgebieten zu uns fliehen.
Putins Krieg hat auch dem Letzten vor Augen geführt, dass die globalen Ressourcen begrenzt sind.
„Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle!“
Das ist kein Ausspruch eines Klimaaktivisten der „Letzten Generation“, sondern von keinem geringeren als UN-Generalsekretär Guterres auf der Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich. Die leider auch in Deutschland bislang viel zu geringen, und nur halbherzigen Bemühungen beim Klimaschutz, holen uns nun sehr schmerzlich ein. Die katastrophalen globalen Auswirkungen des Klimawandels, die einhergehen mit Waldbränden, Dürren, Unwettern, Flutereignissen und Ernteausfällen, treffen die Menschheit immer heftiger, und sind auch bei uns angekommen.
Mit einem bislang nicht vorstellbaren Tempo, sind wir jetzt gefordert, den CO2-Ausstoß massiv zu verringern und die erneuerbaren Energien voran zu bringen. Aktives Handeln in Politik und Gesellschaft, sowie Umstrukturierungen in der Wirtschaft, sind dringender denn je.
Wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass eine Krise der nächsten folgt. Wer hätte gedacht, dass wir uns Sorgen um warme Wohnungen machen müssen und viele Haushalte sie gar nicht mehr bezahlen können? Die Konten sind leer, bevor der Monat um ist. Bei den Tafelläden stehen immer mehr arme Menschen Schlange. Die Lebensmittel dort werden so knapp, dass sie zugeteilt werden
müssen. Hier sind sehr viele Ehrenamtliche mit großem Engagement im Einsatz. In Anerkennung dieser Arbeit, und auch um für eine finanzielle Entlastung zu sorgen, beantragen wir, die Tafelläden im Kreis von den Abfallgebühren zu befreien. Die Auswirkungen des Krieges sind in vielen Bereichen bei uns angekommen. Es ist unsere humanitäre Verantwortung und Pflicht, Menschen, die in Not sind, zu helfen und ihnen solidarisch beizustehen.
Europa steht zusammen, wie lange nicht mehr. Die Bundesregierung zeigt, in der zutreffend formulierten Zeitenwende, Entschlossenheit und Besonnenheit, um diesem Krieg und den daraus resultierenden Krisen zu trotzen. Und wir im Rems-Murr-Kreis tun dies auch.
Gerade in Krisenzeiten sind Tugenden wie Vertrauen, Verlässlichkeit und Beständigkeit, sowie Zusammenhalt, entscheidende Faktoren, das Haus nicht brüchig werden zu lassen. Sie Herr Landrat,
mit Ihrem Führungsteam und all den engagierten Mitarbeitenden des Kreises sind die Garanten dafür, die Substanz des Hauses „Rems-Murr-Kreis“ zu erhalten und daran weiterbauen zu können. Daher haben wir uns sehr darüber gefreut, dass Sie bei der letzten Kreistagssitzung erklärt haben, dem Rems-Murr-Kreis für eine weitere Amtszeit als Landrat zur Verfügung zu stehen.
Zum Haushaltsplan:
Bei der Einbringung haben Sie, Herr Dr. Sigel, die aktuellen Rahmenbedingungen als sehr herausfordernd beschrieben, verbunden mit immensen Kostenbelastungen für den Kreis. Zur Deckung des Haushalts führte Finanzdezernent Herr Schäfer sogenannte „Kompensationsmittel“ in Höhe von 46 Millionen Euro an.
Auch angesichts der noch unklaren Finanzströme von Bund und Land auf die kommunale Ebene, halten wir die aufgemachten Rechnungen insgesamt doch für sehr mutig, in Teilen auch für zu riskant.
Bei den für unsere Kliniken eingeplanten Mitteln aus den Rettungsschirmen von Bund und Land mit 15,2 Mio. Euro können wir mitgehen, nachdem die Bundesregierung hier einen Sonderfonds mit 8 Milliarden Euro geschaffen hat. Aber auch hier ist noch unklar, was davon bei uns ankommt.
Der Aufsichtsrat hat zudem beschlossen, dass die Klinikleitung bis Jahresende ein anspruchsvolles Sparkonzept in Höhe von 4,7 Millionen Euro vorlegt. Hoffen wir, dass dies gelingt.
Für die Umsetzung des BTHG stehen 19 Mio. Euro Mehrkosten im Haushaltsplan. Auch bei optimistischer Betrachtung der durch das Land zu erwartenden Erstattungen bleibt hier noch eine Finanzierungslücke von mindestens 5 Mio. Euro.
Bei den Schlüsselzuweisungen sind Mehreinnahmen von 8,8 Mio. Euro eingeplant. Durch die jüngste Steuerschätzung ist mit weiteren Einnahmen zu rechnen, die allerdings zum Großteil direkt bei den Kommunen ankommen werden.
Bei der Grunderwerbsteuer wurde zunächst, wie im Vorjahr, mit 40,0 Mio. Euro gerechnet. Die Grundstücksgeschäfte gehen aber zurück. Letzte Woche korrigierte die Verwaltung ihren Planansatz bereits um 7,5 Mio. Euro nach unten.
Dazu kommt:
Die verbleibenden Rücklagen des Landkreises, mit 15 Mio. Euro, sollen in der vorliegenden Haushaltsplanung 2023 komplett aufgebraucht werden.
Die, entsprechend unserer Finanzierungsleitlinien dem Landkreis zustehenden Mehreinnahmen aus dem Ergebnis 2021, sollen für 2023 dem Verwaltungsvorschlag nach, mit 7 Mio. Euro komplett den Kommunen zufließen.
Und darüber hinaus soll auch noch ein Verlustvortrag von 6,9 Mio. Euro gebildet werden.
Vorausschauende und nachhaltige Haushaltspolitik sieht nach Auffassung der Grünen Kreistagsfraktion anders aus! Keine Frage: Es ist ein erstrebenswertes Ziel, gerade auch angesichts der großen Aufgabenstellungen in den Kommunen, den Anstieg der Kreisumlage so moderat wie möglich zu halten.
Wir stehen als Kreisrätinnen und Kreisräte aber in erster Linie in der Verantwortung, dass der Landkreis seine Aufgaben erfüllen kann.
Wir Grünen können die von der Verwaltung in der Haushaltsplanung eingegangenen Finanzierungsrisiken nicht in vollem Umfang mittragen.
Klimaschutz
Mit dem Ziel, die Klimaneutralität des Rems-Murr-Kreises bis 2035 zur erreichen, beschließen wir heute das 4. Klimaschutzhandlungsprogramm. Mit voller Unterstützung von uns Grünen.
Viele Engagierte nutzten die Gelegenheit sich in den Beteiligungsprozess einzubringen. Herausgekommen ist ein sehr umfangreiches Programm, das alle Ebenen im Kreis einschließt. Die Zielerreichung liegt nun in der Hand der Akteure. Hierzu gehören nicht nur die Verantwortlichen des Kreises. Hier sind auch die Kommunen, die BürgermeisterInnen, GemeinderätInnen, die Vereine und Initiativen sowie die Betriebe gefordert. Jede und Jeder einzelne muss die erforderlichen Beiträge leisten. Es zeigt sich schon heute: Investitionen in den Klimaschutz sind Investitionen in die Zukunft. Vorausschauendes Klimaschutz-Handeln zahlt sich aus. Wer schon heute eine Photovoltaikanlage und Solarthermie auf dem Dach hat, braucht sich über steigende Energiekosten weniger Sorgen zu machen. Zudem muss noch die Windkraft endlich auch im RMK einen Schub bekommen!
Im Bereich Mobilität liegt das größte Potential für Klimaschutzeffekte.
Das 9€-Ticket hat eindrucksvoll gezeigt, dass sehr viel mehr Menschen den ÖPNV nutzen, wenn gute Rahmenbedingungen, wie ein günstiger Preis und ein einfaches Tarifsystem, gegeben sind.
Wir halten es für sehr gut, dass dieses Modell nun mit dem Deutschlandticket eine Fortsetzung findet. Und das Jugendticket für Baden-Württemberg schafft nachhaltige Mobilität für junge Leute, die so an die Nutzung des ÖPNV herangeführt werden.
Kliniken
Der erfolgreiche Weg unserer Rems-Murr-Kliniken ist durch die Corona-Krise wirtschaftlich leider unterbrochen worden. Im Haushalt sind für 2023 20,8 Mio. Euro Kreiszuschuss eingeplant, in der Erwartung, dass Bund und Land mit neuen Rettungsschirmen zur Finanzierung der krisenbedingten Mehrkosten mit 10,5 Mio. Euro beitragen. Auch in den Kliniken gilt es nun zu sparen: beim Energieverbrauch, beim Material , bei der Optimierung von Betriebsabläufen. Das vom Aufsichtsrat der Klinik beschlossene Sparkonzept soll mit 4,7 Mio. Euro zu Buche schlagen.
Als Erweiterung haben wir Grünen einen Antrag zur Erstellung eines Konzepts „Grünes Krankenhaus“ gestellt, mit dem Ziel Ressourcen zu sparen. Am Zielkorridor von weniger als 10 Mio. Euro Kreiszuschuss an die Kliniken wollen wir festhalten. Die Rems-Murr-Kliniken sind wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge für unsere BürgerInnen. Daher ist es richtig, auf Basis der beschlossenen Medizinkonzeption die bauliche und medizinische Infrastruktur weiter auszubauen.
Pflege
Wir haben dieses Jahr einen neuen Kreispflegeplan beschlossen. Bis 2030 ist mit einem weiteren Bedarf von 1.700 stationären Plätzen zu rechnen. Auch in der ambulanten und wohnortnahen Versorgung ist ein großer Zuwachs zu erwarten. Diese Zahlen haben uns aufgerüttelt.
Hier kommen weitere große Aufgaben auf den Rems-Murr-Kreis zu.
Sehr positiv ist es, dass wir es in den letzten Jahren geschafft haben, mit den Pflegestützpunkten, zwischenzeitlich flächendeckend im ganzen Landkreis, gute und wichtige Beratungsstrukturen aufzubauen.
Auch die Schaffung von dringend notwendigen Plätzen der Übergangspflege in unseren Kliniken sowie die Schaffung von neuem seniorengerechtem Wohnraum durch unsere Kreisbaugruppe sind positive Beiträge. Uns Grünen ist wichtig, dass unseren Seniorinnen und Senioren im Kreis eine gute Lebensqualität erhalten bleibt.
Haushalt / Kreisumlage
Die Bundesregierung hat mit den Entlastungspaketen wichtige Antworten zur Krisenbewältigung gegeben. Aber was davon kommt im Kreis an?
Vieles ist noch unklar. Bei vielen Haushaltsansätzen gibt es erhebliche Risiken. Wir haben diese im Einzelnen benannt. Die Haushaltsrisiken sind uns in Summe zu hoch. Wir sind uns sicher: Spätestens beim nächsten Haushalt wird uns diese Risikokalkulation auf die Füße fallen. Daher beantragen wir, dass zumindest an einem Punkt eine Korrektur vorgenommen wird: Wir beantragen den Verzicht auf die Einplanung des Verlustvortrages.
Diese Position geht uns eindeutig zu weit. Mit einem Verlustvortrag laufen wir große Gefahr, dass der Haushalt im nächsten Jahr nur mit einem noch größeren Anstieg der Kreisumlage gedeckt werden kann. Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich dieser Verlustvortrag in absehbarer Zukunft wieder abtragen lässt.
Ein Ausgleich ist über eine entsprechende Erhöhung der Kreisumlage herzustellen. Bei einem bislang eingeplanten Verlustvortrag von 6,9 Mio entspricht dies einem Hebesatzpunkt.
4/5
Kreistagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Rems-Murr-Kreis
Christine Besa (Vorsitzende) – Anne Kowatsch (stellv. Vorsitzende) Bernd Messinger (stellv. Vorsitzender)
Schluss
Gerade in Krisenzeiten gilt es vorausschauend zu handeln und klar zu kommunizieren. Es ist unsere Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Sorgen ernst zu nehmen. Antworten zu haben und Lösungen zu finden. Uns Grünen ist es zentral wichtig, dass wir die Krise gemeinsam meistern und alles dafür tun, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in dieser Situation zu stärken.
Dazu gehört auch, dass es Menschen gibt, die mehr, und manche, die weniger Hilfe benötigen. Hier
müssen wir solidarisch in allen Lebensbereichen sein. Der Landkreis, die Kommunen und alle Menschen im Kreis gemeinsam. Damit auch künftige Generationen im Kreis eine gute Lebensgrundlage haben. Lassen Sie uns die Herausforderungen gemeinsam anpacken und meistern, als Demokraten, über alle parteipolitischen Grenzen hinweg. Unsere Gesellschaft als Ganzes, unser Gemeinwesen und die Demokratie können gestärkt aus dieser Krise herauskommen. Das ist unsere Überzeugung als Grüne Kreistagsfraktion.
Dank
Abschließend herzlichen Dank an Sie Herr Landrat mit ihrem Team,
herzlichen Dank an die Geschäftsführungen und die Mitarbeitenden unserer Kreisbetriebe, herzlichen Dank an alle gesellschaftlichen Gruppierungen, mit den vielen Ehrenamtlichen, die sich für ein funktionierendes Gemeinwesen einsetzen,
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!